Letzte Woche trafen sich Innenminister Österreichs und Jordaniens, hochrangige Regierungsoffizielle aus Ägypten, Mauretanien, Irak, Nigeria, Nord-Mazedonien, den Philippinen und zahlreicher EU-Staaten, aber auch Vertreter des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR, der EU-Kommission und der Afrikanischen Union in Wien.
Anlass war die sogenannte Vienna Migration Conference (VMC). Organisiert wird die Konferenz vom International Centre for Migration Policy Development (ICMPD). Das ICMPD stand bisher wenig im Fokus der Medienberichterstattung. Dabei hat die Organisation einen grossen Einfluss auf Migrationspolitik.
Sofian Philip Naceur ist freier Journalist und Mitarbeiter des Nordafrikabüros der deutschen Rosa Luxemburg Stiftung. Er hat sich intensiv mit dem ICMPD auseinandergesetzt.
Das ICMPD ist formell eine internationale Organisation mit heute 21 Mitgliedsstaaten. Sie wurde Anfang der Neunzigerjahre von den Regierungen Österreichs und der Schweiz als Reaktion auf den Fall der Berliner Mauer und die Balkankriege gegründet. Die beiden Regierungen wollten damit die Migrationspolitik unter Umgehung des UNHCR und des internationalen Flüchtlingsrechts ein bisschen repressiver handhaben. In den letzten 30 Jahren hat sich das IMCPD straff weiterentwickelt, im Grunde bietet es aber immer noch die gleichen Dienstleistungen an. Dazu gehören Intergouvernementale informelle Regierungsforen, Datenerhebungen und Recherchen sowie konkrete Dienstleistungen. Ich würde das ICMPD allerdings eher als ideologischen Motor des europäischen Grenzregimes bezeichnen. Im Vergleich zu anderen Organisationen betreibt das ICMPD Politikentwicklung und bietet vor allem der Europäischen Kommission und EU-Mitgliedsstaaten Dienstleistungen an.
Die Vienna Migration Conference würde ich als das Flagship-Event des ICMPD beschreiben. Es ist eine semi-öffentliche Veranstaltung, an der das Programm der Konferenz öffentlich ins Netz gestellt wird. Das heisst, wir wissen, wer eingeladen ist und auf den Foren und Panels spricht. Aber im Prinzip ist das ein PR-Event. Die Konferenz hat nun bereits zum 10. Mal stattgefunden; ausserhalb von Regierungskreisen war dieses Event bisher aber nicht wirklich bekannt.
Das hat sich in den letzten Jahren geändert. Das ICMPD hat eine operative Neuorientierung eingeleitet und verrichtet inzwischen deutlich mehr Drecksarbeit. So ist das ICMPD indirekt und auch direkt in die Aufrüstung von Polizeibehörden im globalen Süden involviert. Und das hat dem ICMPD mehr kritische Öffentlichkeit eingebracht.
Das sind diese sogenannten informellen Dialogforen – so nennt es das ICMPD. Das sind äusserst informelle und intransparente Meetings zwischen Regierungen. Der bekannteste davon ist der sogenannte Khartum-Prozess – eine informelle Konferenzstruktur, in der sich einmal im Jahr dutzende Regierungen treffen und die Migrationspolitik besprechen. Hinter verschlossenen Türen, vollkommen intransparent. Daran nehmen sehr viele europäische Staaten und Staaten aus Nordafrika und aus Ostafrika teil. Das ICMPD übernimmt das Sekretariat für diese Konferenzstruktur. Das Interessante an diesen Foren ist, dass die Organisation dadurch über die letzten 30 Jahre mit dutzenden Staaten in Europa, Afrika und Asien Kontakte aufgebaut hat. Diesen Einfluss nutzt das ICMPD, um ein sehr repressives Verständnis der Migrationspolitik zu verbreiten.
Das ICMPD bietet eine Vielzahl von Dienstleistungen an. Der Hauptaspekt ist, dass sie in Ländern wie Tunesien, Marokko, Ghana und Pakistan in die Aufrüstung von Behörden involviert sind. Wenn die EU-Kommission die tunesischen Küstenwachen mit Ausrüstung versorgen möchte, damit die tunesischen Küstenwachen Boote abfängt auf dem Weg nach Italien, dann läuft das folgendermassen: Die EU-Kommission oder ein EU-Mitgliedsstaat drückt dem ICMPD Geld in die Hand, das dann quasi im Auftrag der EU-Kommission für die tunesische Küstenwache und die tunesische Nationalgarde – das ist eine Polizeieinheit in Tunesien – Material einkauft. Somit ist das ICMPD massiv an der Aufrüstung und Hochrüstung von Polizei und Zollbehörden in diesen Ländern verantwortlich. In dem Kontext hat die Organisation im globalen Süden Millionenbeträge in repressive Polizeistrukturen gesteckt. Das ist deshalb problematische, weil damit nicht nur ein Staat und sein Polizeiapparat in dem jeweiligen Land in die Lage versetzt wird, die Migration zu unterbinden, sondern auch dazu, die eigene Bevölkerung zu unterdrücken. Am Beispiel der tunesischen Nationalgarde sehen wir, dass diese inzwischen massiv gegen die tunesische Bevölkerung vorgeht.